Was ist das Hinweisgeberschutzgesetz und wie kann es in Unternehmen umgesetzt werden?
Mit diesem Artikel möchten wir Sie auf den aktuellen Stand zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinschG) als Umsetzung der seit dem 17. Dezember 2021 geltenden EU-Richtlinie bringen. Wir räumen die Unsicherheiten und Vorbehalte gegenüber Hinweisgebersystemen aus dem Weg und vermitteln Ihnen als Unternehmen klare Handlungsempfehlungen.
Da das Gesetz am 12.05.2023 verabschiedet wurde und am 02.07.2023 für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden in Kraft getreten ist, sollten Unternehmen sofort handeln.
Seit dem 17. Dezember 2023 mussten Unternehmen mit 50-249 Beschäftigten handeln.
Die Richtlinie zwingt Sie zu Ihrem Glück, indem es Ihnen ein Frühwarnsystem für Ihr Unternehmen und ein Schutzschild für Ihre Mitarbeiter vorschreibt.
Aktuelle Info zur Umsetzungsfrist des Hinweisgeberschutzgesetzes
Am 9. Mai hat sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat auf Änderungen im Hinweisgeberschutzgesetz geeinigt. Der Bundestag hat das Gesetz am 11. Mai 2023 verabschiedet, der Bundesrat hat den Änderungen am 12. Mai 2023 zugestimmt. Am 2. Juni 2023 ist das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Die wichtigsten Änderungen finden Sie weiter unten im Beitrag zusammengefasst.
Umsetzungsfrist für Unternehmen verschiedener Größen
Mit einer Umsetzungsfrist von einem Monat sind Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden seit dem 02.07.23 verpflichtet, ein Hinweisgeber- bzw. Whistleblowing-System eingerichtet zu haben. Private Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten sind seit dem 17. Dezember 2023 verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten.
Welche Vorgaben macht das HinschG deutschen Unternehmen?
- Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern: Auch diese Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern einen Meldekanal zur Verfügung stellen, allerdings galt hier der Stichtag 17.12.2023.
- Unternehmen im öffentlichen Sektor, bzw. Kommunen und Städte mit über 10 Tausend Einwohnern sind ebenfalls vom Gesetz betroffen.
- Die Meldesysteme müssen sowohl eine schriftliche oder mündliche als auch eine persönliche Meldung von Vorfällen erlauben.
- Innerhalb von 7 Tagen muss ein Hinweis von der internen Meldestelle bearbeitet bzw. bestätigt werden.
- Spätestens 3 Monate nach Meldung müssen Hinweisgeber über die ergriffenen Maßnahmen informiert werden.
- Die Anwendungsbereiche des Hinweisgeberschutzgesetzes beziehen sich auf das EU-Recht und das nationale Recht.
- Das Hinweisgebersystem muss DSGVO-konform sein und die Identität des Hinweisgebers schützen. Das Angebot einer anonymisierten Abgabe von Meldungen war bisher empfohlen, wird aber für 2025 verpflichtend. Dies bedeutet, dass interne Meldestellen entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um anonyme Meldungen entgegenzunehmen und zu bearbeiten.
- Bei Gesetzesverstößen müssen Unternehmen mit Bußgeldern von bis zu 50.000 € rechnen.
Die wichtigsten Fragen zum HinSchG
Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern müssen bis zum 02.07.2023 ein Hinweisgebersystem implementiert haben. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern gilt eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023.
Neben der externen Meldestelle über das BMJ, müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern einen internen Meldekanal zur Verfügung stellen, der den rechtlichen Anforderungen des HinSchG erfüllt. Die Hinweisgeber müssen vor Repressalien geschützt werden.
Das Gesetz verpflichtet seit dem 17.12.2023 alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitern zur Implementierung eines Hinweisgebersystems.
Die Whistleblower-Richtlinie soll die Meldung von beispielsweise Verstößen gegen Compliance-Richtlinien, Korruption, die Verletzung von Wettbewerbsvorschriften oder Verstöße gegen Umweltrichtlinien erleichtern. Der Anwendungsbereich des HinSchG ist also EU-Recht, nationales Recht im Kontext von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, beides im beruflichen Kontext.
Bei einer internen Meldestelle können Mitarbeiter innerhalb einer Organisation Missstände, Verstöße oder ethische Bedenken melden. Ihre Funktion ist die Aufnahme der Meldungen, die Durchführung interner Untersuchungen und das Ergreifen angemessener Maßnahmen zum Schutz der Integrität und des Wohlergehens der Organisation und ihrer Mitarbeiter.
Nein, das HinSchG verpflichtet nicht ausdrücklich zum Ermöglichen anonymer Meldungen. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass Unternehmen anonyme Meldungen ermöglichen und bearbeiten "sollen". Außerdem wird aus der Praxis ausdrücklich empfohlen, Anonymität zu gewährleisten. Nur so können Hinweisgeber optimal geschützt werden.
Unternehmen, die kein Hinweisgebersystem implementieren oder deren Meldekanal nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, müssen mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 50.000 € rechnen.



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Deutsches Hinweisgeberschutzgesetz: Was ist Hinweisgeberschutz?
Eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes in Unternehmen ist die negative Konnotation, die häufig beim Thema „Whistleblowing“ mitschwingt. Der Begriff wird vor allem in Deutschland häufig mit Geheimnisverrat assoziiert und damit sehr einseitig interpretiert. Verkannt wird dabei, dass es nicht generell schlecht ist, wenn Geheimnisse aufgedeckt werden – insbesondere, wenn diese Gesetzesverstöße beinhalten. Auch der Unterschied in der Bezeichnung zwischen Whistleblowing, dem Abgeben wertvoller Hinweise, und Leaking, dem Teilen sensibler Daten mit der breiten Öffentlichkeit, spielt eine wichtige Rolle: Beim Leaking werden Missstände oder illegale Aktivitäten in einer Organisation meist über die Presse öffentlich gemacht. Hinweisgeber oder Whistleblower hingegen leiten Informationen nur an zuständige Stellen weiter, in der Regel ohne an die Öffentlichkeit zu treten.
Durch das Aufdecken von Gesetzesverstößen in Unternehmen werden unternehmensinterne Hinweisgeber zu einem Frühwarnsystem. Das ermöglicht, gemeldete Probleme umgehend anzugehen und zu lösen, statt eines Tages ohne Vorankündigung als Skandal in den Schlagzeilen zu landen.
Mitarbeiter müssen sich bei der Beobachtung von Gesetzesverstößen entscheiden, ob sie diese melden oder nicht. Je nach Machtverhältnissen und Unternehmenskultur resultierte eine solche Meldung bisher in persönlichen Nachteilen, Ausgrenzung oder Kündigung. Das führte dazu, dass die persönlichen Risiken eines Hinweisgebers zu einer häufig unüberwindbaren Hürde wurden.
Um genau dieses Zögern zu verhindern, hat die EU beschlossen, Hinweisgeber mit einem Hinweisgeberschutzgesetz in Zukunft besser zu schützen. Jemand, der einen Missstand im Unternehmen aufdeckt, darf keine Benachteiligung fürchten oder gar um seinen Job oder seine Zukunft bangen müssen.
Bei Missachtung der Umsetzungsfrist zum Hinweisgeberschutzgesetz drohen Bußgelder
Beschäftigungsgeber mit 250 oder mehr Beschäftigten müssen die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes bereits zum 2. Juli 2023 umsetzen. Für Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten war der Stichtag der Umsetzungsfrist der 17.12.2023. Es müssen dann interne Meldestellen und Konzepte zum Schutz von hinweisgebenden Personen eingerichtet und betrieben werden. Erfolgt dies nicht, drohen den Unternehmen Bußgelder von bis zu 50.000 €.
Seit 2025 ist das Bundesamt für Justiz (BfJ) bundesweit für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Hinweisgeberschutzgesetz zuständig. Es übernimmt die zentrale Rolle bei der Ahndung von Verstößen, etwa wenn Unternehmen kein System eingerichtet haben, Meldungen behindern oder gegen Vertraulichkeitspflichten verstoßen.
Typische Bußgeldtatbestände laut HinSchG
- Kein Hinweisgebersystem oder Meldekanal vorhanden
- Behinderung oder Einschüchterung von Mitarbeitenden bei der Meldung
- Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Vertraulichkeit der Identität
- Benachteiligung eines Hinweisgebers wegen der Meldung
Welchen Kriterien muss ein Meldesystem gemäß HinschG entsprechen?
Anonyme Hinweise gewinnen an Relevanz
Auch wenn das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) keine anonymen Meldekanäle vorschreibt, gewinnen sie zunehmend an Bedeutung. Internationale Standards wie ISO 37301 (Compliance) und ISO 37001 (Anti-Korruption) verlangen sie faktisch – insbesondere für Unternehmen, die eine Zertifizierung anstreben oder ihre Compliance-Strukturen weiterentwickeln möchten.
Ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (2025) stärkt zusätzlich den Stellenwert anonymer Hinweise: Es bestätigte, dass auch vollständig anonyme Meldungen – wenn sie konkret und nachvollziehbar sind – staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Durchsuchungen rechtfertigen können. In dem Fall wurde ein Abrechnungsbetrug durch anonym eingereichte Dokumente und Fotos aufgedeckt.
Gerade im internationalen Geschäftsumfeld gelten anonyme Meldekanäle inzwischen als entscheidendes Kriterium für ein wirksames und glaubwürdiges Compliance-System.
Zentrale Konzernmeldestellen reichen nicht aus
Hinweisgebende Personen können frei wählen, ob sie sich an interne Meldestellen im Unternehmen – etwa eine Ombudsperson – oder an externe Stellen wie das Bundesamt für Justiz wenden. In bestimmten Fällen sind auch die BaFin oder das Bundeskartellamt zuständig. Unternehmen sind jedoch verpflichtet, Anreize für den internen Meldeweg zu schaffen. Voraussetzung ist, dass Mitarbeitende transparent über das interne Verfahren informiert sind und Vertrauen in dessen Wirksamkeit besteht.
Zugleich hat die EU-Kommission 2025 klargestellt, dass zentrale Konzernmeldestellen allein nicht ausreichen. Jede rechtlich eigenständige Konzerneinheit muss ein eigenes, funktionierendes internes Meldesystem bereitstellen. Wird Mitarbeitenden der Zugang zu einer praktischen internen Meldemöglichkeit faktisch verwehrt, verstößt dies gegen die Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie.
Beweislastumkehr nur bei aktiver Berufung
Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aus 2025 stellt klar: Hinweisgebende Personen müssen sich aktiv auf das gesetzlich verankerte Benachteiligungsverbot berufen und die Abgabe eines Hinweises über den Meldekanal beweisen, damit die Beweislastumkehr greift. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie besonders aufmerksam dokumentieren müssen, ob und wann ein solcher Hinweis erfolgt – und wie darauf reagiert wurde.
Hinweisgeberschutz nur bei Nutzung des Meldekanals
Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Hamm aus dem Jahr 2024 ist ein Mitarbeiter nur dann nach dem HinSchG geschützt wenn die Person einen internen Meldekanal seiner Organisation oder einen externen Meldekanal nutzt. In dem konkreten Fall hatte ein Mitarbeitender Beschwerden bzw. Hinweise im Rahmen von Personalgesprächen geäußert, dazu auch vor Inkrafttreten des HinSchG..
Anreize für interne Meldungen
Hinweisgeber sollen im Grundsatz die Wahl zwischen externer und interner Meldung haben. Das bedeutet auch, dass Beschäftigungsgeber Anreize dafür schaffen sollten, dass sich hinweisgebende Personen zunächst an die jeweilige interne Meldestelle des Beschäftigungsgebers wenden, bevor sie eine Meldung bei einer externen Meldestelle des Bundes oder des Landes einreichen.
Bisheriger Verlauf zum Hinweisgeberschutzgesetz
Im Folgenden finden Sie den aktuellen Stand der Umsetzung in allen 16 Bundesländern sowie Berlin als Stadtstaat – inklusive der jeweiligen Landesgesetze und weiterführender Links.
Seit dem 19. März 2024 gilt das Kommunale-Meldestellen-Gesetz (KommMeldG). Es regelt die Einrichtung und den Betrieb interner Meldestellen auf kommunaler Ebene. Das Landesbeamtengesetz wurde entsprechend angepasst.
Bayern hat kein eigenes Ausführungsgesetz erlassen, sondern bestehende Gesetze um entsprechende Regelungen ergänzt. wie Art. 85 LKrO, Art. 56 GO, Art. 97 GO, Art. 47 BezO, Art. 50 LKrO und Art. 81 BezO.
Berlin setzt das Hinweisgeberschutzgesetz unmittelbar um, ein eigenes Landesgesetz existiert nicht. Die Behörden richten interne Meldestellen direkt nach den Vorgaben des Bundesgesetzes ein, im Mai 2025 gibt es noch keine zentrale Meldestelle des Senats des Landes Berlin, nur die folgende Interimslösung.
Seit dem 15. Mai 2024 ist das Kommunale Hinweisgebermeldestellengesetz (KommHinwMeldG) in Kraft. Es regelt die Einrichtung, Ausnahmen und Erleichterungen für interne Meldestellen.
In Bremen ist das Bremische Ausführungsgesetz zum Hinweisgeberschutzgesetz (BremHinSchGAG) seit dem 14. März 2024 gültig.
Zum GesetzestextHamburg setzt das Hinweisgeberschutzgesetz direkt um. Interne Meldestellen werden seit dem 17. Dezember 2021 auf Basis der EU-Richtlinie und seit Juli 2023 nach dem Bundesgesetz eingerichtet.
Das Hessische Hinweisgebermeldestellengesetz (HHinMeldG) vom 24. Mai 2023 regelt seit dem 2. Juli 2023 die Einrichtung interner Meldestellen.
Zum GesetzestextSeit dem 15. Mai 2024 gilt das Kommunale Hinweisgebermeldestellengesetz (KommHinMeldG M-V).
Zum GesetzestextDas Niedersächsische Hinweisgebermeldestellengesetz (NHinMeldG) wurde am 19. Dezember 2023 verkündet.
Zum GesetzestextSeit dem 30. Dezember 2023 ist das Hinweisgeberschutzgesetz-Ausführungsgesetz NRW (HinSchG AG NRW) in Kraft. Es enthält auch eine Berichtspflicht der Landesregierung bis 2026.
Zum GesetzestextAm 21. Februar 2024 wurde das Landesgesetz über interne Meldestellen im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes im kommunalen Bereich (LHinSchG RLP) verabschiedet.
Zum GesetzestextSeit dem 30. Mai 2024 gilt das Saarländische Meldestellengesetz (MeldeStG SL) inklusive Anpassung des Saarländischen Beamtengesetzes.
Zum GesetzestextDer Landtag debattiert aktuell noch über das Sächsische Hinweisgebermeldestellengesetz (SächsHinMeldG).
Zum GesetzestextStatt eines eigenen Gesetzes wurde § 76a KVG LSA in das Kommunalverfassungsgesetz aufgenommen (seit 11.04.2024).
Zum GesetzestextDas Landeshinweisgeberschutzgesetz (LHinSchG) ist am 7. Juni 2024 in Kraft getreten.
Zum GesetzestextAuch in Thüringen befindet sich das Thüringer Gesetz zur Ausführung des Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (ThürAGHinSchG) noch im Gesetzgebungsprozess. Die Verabschiedung erfolgte am 2. Juni 2024.
Zum GesetzFazit
Was ist die EU-Grundlage für das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz?
Die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern (EU-Direktive 2019/1937) verlangt, dass alle Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden ein Hinweisgebersystem einrichten. Das gilt auch für Behörden und öffentliche Einrichtungen, sowie für Kommunen ab 10.000 Einwohnern. Für Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden galt eine verlängerte Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Die EU-Richtlinie, das Hinweisgeberschutzgesetz und die damit einhergehenden Anforderungen an Unternehmen sollen Whistleblower besser schützen, wenn sie Gesetzesverstöße innerhalb des Unternehmens melden. Dafür soll ein internes Hinweisgebersystem als Meldekanal sorgen. Dieses kann nicht nur für die eigenen Arbeitnehmer, sondern auch für die von Vertriebspartnern, Kunden und Dienstleistern zugänglich sein.
Umsetzung der HinSchG Whistleblowing-Richtlinie
Da es sich um eine Richtlinie handelt und nicht um eine Verordnung (wie bei der DSGVO), müssen alle EU-Mitgliedsstaaten zusätzlich ein eigenes nationales Hinweisgeberschutzgesetz verabschieden, das den Schutz von Hinweisgebern gewährleistet. Dabei stellen die rechtlichen Anforderungen der EU-Richtlinie das „Minimum“ dar.
Viele europäische Länder waren mit der Umsetzung der EU-Richtlinie schneller als die Deutsche Bundesregierung. Manche Regierungen sehen außerdem strengere Sanktionen vor als Deutschland. In Polen drohen Geschäftsführern bis zu 3 Jahre Haft bei Missachtung der Gesetzgebung. Andere Länder wie Tschechien schreiben bereits Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern vor, ein Hinweisgebersystem zu implementieren.
In Deutschland müssen Unternehmen jedoch nicht nur das HinSchG im Umgang mit Whistleblowern beachten: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) schreibt seit dem 01. Januar 2023 darüber hinaus vor, dass Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden allen Beschäftigten entlang der Lieferkette das Abgeben von Hinweisen ermöglichen. Seit dem 01. Januar 2024 gilt dies auch für Unternehmen über 1.000 Beschäftigten.
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet zu Hinweisgebersystemen
Ein Hinweisgeberschutzgesetz definiert alle Personen als potenzielle Hinweisgeber, die im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit mit Ihrem Unternehmen in Kontakt stehen. Somit betrifft es nicht nur Ihre Mitarbeiter, sondern auch Kunden oder Lieferanten (mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag „Was ist ein Whistleblower?“). Daher ist das Unternehmen verpflichtet, leicht und verständlich über die Meldemöglichkeiten und die Bearbeitung von Meldungen aufzuklären (beispielsweise auf der Unternehmens-Website).
Neben der Möglichkeit, schriftlich und mündlich melden zu können, muss das Unternehmen auch einen persönlichen Austausch auf Wunsch des Hinweisgebers ermöglichen. Dabei muss es die Daten im Zusammenhang mit der Meldung natürlich auch DSGVO-konform verarbeiten. In Unternehmen werden Hinweise auf Compliance-Verstöße meist von sogenannten Ombudspersonen bearbeitet: Eine Ombudsperson ist dazu abgestellt, Konflikte zu lösen, unabhängig z. B. zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften zu vermitteln, und faire Verfahren in Organisationen sicherzustellen. Dazu gehört auch die Hinweisbearbeitung.
Wichtig: Der gesetzliche Vertraulichkeitsschutz gemäß HinSchG gilt gegenüber der Organisation. Gegenüber staatlichen Stellen – Behörden, Gerichten oder etwa der Staatsanwaltschaft – müssen Meldestellen Informationen auf Verlangen herausgeben. Nur wenn eine Ombudsperson ein anwaltlicher Berufsgeheimnisträger ist, gilt die Schweigepflicht auch gegenüber staatlichen Stellen. Für Unternehmen kann dies ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl eines Hinweisgebersystems mit Betreuung durch einen Rechtsanwalt sein.
Die Whistleblowing-Richtlinie sowie das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz verpflichten nicht explizit dazu, anonyme Meldungen zu ermöglichen. Sie formulieren es als Soll-Vorschrift und erzeugen dadurch eine Grauzone vor allem für Unternehmen.
Die Empfehlung ist jedoch eindeutig: Nur Anonymität schafft ausreichend Sicherheit und Vertrauen, um die Hemmung vor dem Melden kritischer Beobachtungen an sich zu reduzieren. Die Mehrzahl der Unternehmen, die bereits Hinweisgebersysteme implementiert haben, haben sich für Meldekanäle inklusive anonymer Meldemöglichkeit entschieden.
Weitere Anforderungen an Unternehmen und Behörden durch die EU-Whistleblowing-Richtlinie
Die Richtlinie schreibt jedoch nicht nur die Implementierung von Hinweisgebersystemen vor. Sie fordert außerdem, Verfahren zur Hinweisbearbeitung in Ihrem Unternehmen einzurichten. Durch die Vorgabe von bestimmten Fristen, innerhalb derer Ihr Unternehmen auf Hinweise reagieren muss, fordert die Richtlinie auch die Steuerung von Folgemaßnahmen:
- Innerhalb von 7 Tagen muss Ihr Unternehmen dem Hinweisgeber bestätigen, dass der Hinweis eingegangen ist.
- Sie müssen außerdem den Hinweisgeber über ergriffene Folgemaßnahmen informieren und das nach spätestens drei Monaten.
Wichtig für diese zusätzlichen Anforderungen ist die Auswahl und Benennung einer unparteiischen Person, die als Hinweisempfänger für die Meldungen und die Kommunikation mit dem Hinweisgeber verantwortlich ist. Dies kann je nach Unternehmensgröße neben der Geschäftsführung oder einem Compliance Officer alternativ auch ein externer Verantwortlicher für Ihr Unternehmen übernehmen. Sie müssen jedoch sicherstellen, dass die verantwortliche Person keinem Interessenkonflikt ausgesetzt ist.
Hier gilt die Beweislastumkehr: Im Zweifel ist der Arbeitgeber verpflichtet, nachzuweisen, dass eine Kündigung nicht im Zusammenhang mit dem Hinweisgeben seitens des Mitarbeiters steht. Dies erfordert eine lückenlose Dokumentation des gesamten Prozesses rund um den Hinweis – sowohl für das Unternehmen als auch für den Hinweisgeber.
Hinweisgeberschutz ist Unternehmensschutz
Die rechtlichen Anforderungen des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes werfen bei Unternehmen in der Praxis viele Fragen auf. Mehr zum aktuellen Stand des Hinweisgeberschutzgesetzes, zu gesetzlichen Anforderungen an Whistleblower-Software und zur praktischen Umsetzung erfahren Sie in diesem Ausschnitt unseres Webinars vom 25.05.23. Die gesamte Aufzeichnung können Sie hier anfordern.
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Mehr InformationenHinSchG: Aufforderung zur Implementierung interner und externer Meldekanäle
Die EU-Richtlinie verpflichtet Unternehmen dazu, interne und externe Meldekanäle zu implementieren. Worin besteht der Unterschied zwischen den Kanälen?
Interne Kanäle
„Intern“ bedeutet in diesem Fall „unternehmensintern“, also innerhalb der juristischen Person, allerdings kann dieser interne Meldekanal auch über einen externen Dienstleister (wie einen Software-Provider und / oder einen Rechtsanwalt) abgebildet werden.
INTERNER MELDEKANAL
Pro
- schnellerer Informationsfluss
- Möglichkeit, gegenzusteuern und Probleme direkt intern zu lösen
- Hinweisempfänger kennt das Unternehmen und kann den Inhalt der Meldung schneller einordnen
Contra
- hohe Anforderungen an Sicherheit, Datenschutz & Prozesse
- Hemmungen seitens der Hinweisgebenden: mehr Kommunikation zur Vertrauensschaffung notwendig
Interne Meldekanäle outsourcen
Den internen Meldekanal von einem Dritten mit dessen Einführung beziehungsweise mit dessen Betreuung zu beauftragen, ist dabei nicht nur explizit als rechtskonforme Lösung in der Richtlinie aufgeführt, sondern kann auch ein praktikabler Kompromiss in der Praxis sein: Potentielle Hinweisgeber fürchten häufig, dass sie bei unternehmensinternen Meldesystemen nicht tatsächlich anonym bleiben oder bemängeln fehlende Transparenz bezüglich der Bearbeitung und Verantwortung der Meldungen. „Kann jemand Neugieriges aus unserer IT nicht herausfinden, dass ich der-/diejenige war, der/die die Meldung abgegeben hat?“, ist in diesem Szenario eine häufig gestellte Frage.
Interne Meldekanäle selbst betreuen
Ein interner Meldekanal, der von der IT-Infrastruktur des Unternehmens unabhängig ist, kann diese Vorbehalte auflösen. Unternehmen können die Betreuung und Bearbeitung der Meldungen außerdem Rechtsanwälten oder Compliance-Beratern überlassen. Manche Unternehmen gehen sogar soweit, nicht etwa den „Rechtsanwalt des Vertrauens“ damit zu beauftragen, mit dem das Unternehmen schon seit Jahren zusammenarbeitet. Sie wählen aktiv für diese Aufgabe einen „neuen“ Rechtsanwalt aus. Das kann zusätzliche Sicherheit bei den Beschäftigten schaffen, da dadurch die Wahrscheinlichkeit eines Interessenkonflikts sinkt.
Externe Kanäle
Die Richtlinie fordert außerdem externe Kanäle, die dem Hinweisgeber neben einem unternehmensinternen Meldekanal zur Verfügung stehen sollen. Die Instanz des externen Meldekanals soll von jedem EU-Mitgliedsstaat von einer dafür errichteten behördlichen Stelle abgebildet werden. Selbstverständlich gelten auch für externe Meldekanäle alle Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes. Eine externe Meldung löst dann eine behördliche Untersuchung aus.
EXTERNER MELDEKANAL
Pro
- völlig unabhängig vom Unternehmen
- standardisierte Prüfung der Meldungen
Contra
- Unternehmen erfährt erst bei Eskalation / durch Anstoßen interner Untersuchung von dem internen Missstand: unkalkulierbares Risiko für Unternehmen
- langsamerer Informationsfluss
Wichtig ist, dass Unternehmen auf beide Kanäle – unternehmensintern sowie externe Stelle – hinweisen sollten und Mitarbeitende die freie Wahl haben, welchen Kanal sie zur Meldung Ihrer Beobachtungen wählen.
Der Anreiz für Unternehmen ist also groß, den internen Meldekanal intuitiv und allzeit zugänglich zu gestalten und unter den Beschäftigten Vertrauen zu diesem Kanal zu schaffen. Damit kann eine behördliche Untersuchung, also ein Involvieren Dritter, verhindert und das Problem intern bearbeitet und gelöst werden.
Hinweisgeberschutz in Konzernen
Für Konzerne, die aus einer Muttergesellschaft und einer oder mehreren Tochtergesellschaften bestehen, sieht das Hinweisgeberschutzgesetz eine besondere Regelungen vor: Prinzipiell gelten für Tochtergesellschaften dieselben Regelungen wie für eigenständige Unternehmen, sodass ihre Mitarbeitenden ab einer Größe von 50 oder mehr Beschäftigten Zugang zu einem Hinweisgebersystem haben müssen. Besonders ist allerdings, dass Tochtergesellschaften bis zu 249 Mitarbeitenden keine eigene interne Meldestelle und kein eigenes Hinweisgebersystem einrichten müssen – sie dürfen das System ihrer Muttergesellschaft nutzen.
Tochtergesellschaften ab 250 und mehr Beschäftigten müssen ein eigenes Hinweisgebersystem einrichten. Den Betrieb einer internen Meldestelle dürfen Sie weiterhin der Muttergesellschaft überlassen – allerdings trägt die Tochtergesellschaft selbst die Verantwortung dafür, dass die Vorgaben der Vertraulichkeit eingehalten werden.
Mehrwert eines Whistleblowing-Systems für Unternehmen
Viele Unternehmer haben Vorbehalte gegenüber anonymen Hinweisgebersystemen, allerdings bieten Whistleblowing-Kanäle Unternehmen einige Vorteile, die nicht zu verkennen sind.
- Studien zur Wirksamkeit bei der Früherkennung: Messgröße für Vertrauen
Aktuelle Studien aus dem Jahr 2025 zeigen: Effektive Hinweisgebersysteme weisen durchschnittlich 0,4 bis 1,0 Hinweise pro 100 Mitarbeitende auf. Unternehmen, bei denen über längere Zeit keine Hinweise eingehen, sollten dies als Warnsignal verstehen – es deutet auf fehlendes Vertrauen oder mangelnde Bekanntheit des Systems hin. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre Kommunikation, Schulung und technischen Rahmenbedingungen regelmäßig zu prüfen. - Verbesserung der Unternehmenskultur: Durch die Implementierung eines Hinweisgebersystems signalisiert das Unternehmen Offenheit und Transparenz. Mitarbeiter fühlen sich ermutigt, Bedenken anzusprechen. Das trägt zu einer positiven Arbeitsumgebung bei. Stellt ein Unternehmen vertrauensvolle Kanäle bereit, zeigt dies den Mitarbeitern, dass die Unternehmensführung ihre Anliegen ernst nimmt und bereit ist, angemessen darauf zu reagieren.
- Stärkung des Vertrauens in die Organisation: Durch den rechtlichen Schutz von Hinweisgebern gewinnen Mitarbeiter Vertrauen in die Integrität des Unternehmens. Dies kann sich positiv auf die Mitarbeiterbindung, Motivation, Innovationsbereitschaft und das Image des Unternehmens auswirken.
- Verbesserung der Compliance: Ein Hinweisgebersystem unterstützt Unternehmen dabei, gesetzliche Vorschriften einzuhalten und ethische Standards einzuhalten. Durch Einbindung Externer laut des neuen Lieferkettengesetzes wird das Risiko von Regelverstößen auch entlang der gesamten Lieferkette reduziert.
- Studien zur Wirksamkeit bei der Früherkennung: Messgröße für Vertrauen
Aktuelle EU-Kritik und internationale Vergleiche (2025)
Die EU kritisiert Deutschland für das Fehlen öffentlicher Unterstützungsfonds und rechtlicher Beratungsangebote für Hinweisgebende. Andere EU-Länder bieten aktive Unterstützung, während Deutschland auf private Anbieter verweist.
Kritik der EU: Fehlende staatliche Unterstützung in Deutschland
Während andere EU-Mitgliedstaaten öffentliche Unterstützungsfonds und kostenfreie Rechtsberatung für Hinweisgeber bereitstellen, verweist Deutschland auch 2025 noch weitgehend auf private Anbieter. Die EU kritisiert diesen Zustand deutlich – insbesondere im Hinblick auf den Schutz und die Beratung von Hinweisgebenden, die sich oft in einer prekären Lage befinden
Wie gelingt die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes?
Unternehmer sollten sich zeitnah um die Reduktion der persönlichen Haftung kümmern. Denn das ist das, was ein Hinweisgeberschutzgesetz hier eigentlich auf den Weg bringt: ein Frühwarnsystem für Ihr Unternehmen. Ein Schutzschild für Ihre Mitarbeiter. Wählen Sie den externen Dienstleister Ihres Vertrauens, um diesen Meldekanal in Ihrem Unternehmen einzurichten und sicherzustellen, dass ihn Ihre Mitarbeitenden auch tatsächlich verwenden.
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Weiterführende Informationsquellen zum HinSchG
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt der Justiz: Gesetzestext des HinSchG
- Bundesgesetzblatt zum HinSchG: BGBl. 2023 I Nr. 140 vom 02. Juni 2023
- Beitrag der Bundesregierung zum Inkrafttreten des Gesetz zum Hinweisgeberschutz zum 02. Juli 2023
- Vorgang des Bundestags zum HinSchG im DIP (Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien)
- Information des Bundesamts für Justiz vom 02. Juni 2023 zur Einrichtung externer Meldestellen
- Themenseite des Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
- Initiative Corporate Social Responsibility des BMAS
- Hinweisgeberschutz als Themengebiet des Transparency International Deutschland e.V.
- Website des gemeinnützigen Whistleblower Netzwerk e.V.
- Richtlinie (EU) 2019/1937
- Bundesministerium der Justiz — Das Hinweisgeberschutzgesetz
- Pressemitteilung des Deutschen Bundestages
- Pressemitteilung des BMJ
(Die verwendete männliche Form bezieht sich auf alle Personen, gleich welchen Geschlechts.)