Europäisches Lieferkettengesetz: alles zu den Richtlinien für nachhaltige Wirtschaft
Da soziale Mindeststandards im Menschen- und Arbeitsrecht missachtet werden, leben Menschen weltweit in Not und Elend. Besonders betroffen davon sind Kinder- und Zwangsarbeit. Doch auch ökologische Mindeststandards, die dem Umweltschutz dienen, werden in vielen Unternehmen nicht umgesetzt.
Um diese Bedingungen zu ändern und Unternehmen zu einer konsequenten und transparenten Umsetzung zu verpflichten, wurde am 1. Juni 2023 einem Gesetzesvorschlag für Nachhaltigkeitsverpflichtungen (CSRD) durch die Abgeordneten im EU-Parlament zugestimmt. Dieser bezieht sich auf die nichtfinanzielle Berichterstattung. Ergänzend dazu wurde das EU-Lieferkettengesetz (engl. Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) entwickelt. Dessen Umsetzung scheiterte im Februar 2024. Besonders Union und FDP positionierten sich klar gegen den Gesetzesvorschlag und trugen damit maßgeblich zum Scheitern im ersten Anlauf bei. Die Konsequenz: ein abgeschwächter Vorschlag mit weniger strengen Vorschriften, weniger betroffenen Unternehmen und verlängerter Umsetzungsfrist. Trotz der Abschwächung wurde das Gesetz weiter kritisiert – jedoch ohne Erfolg: Im März 2024 konnte das europäische Lieferkettengesetz trotz Enthaltung Deutschlands bei der EU-Ratssitzung auf den Weg gebracht werden und trat im Juli 2024 in Kraft.
Aktuell arbeitet die Europäische Kommission an der sogenannten Omnibus-Verordnung. Damit sollen bestehende Regelungen wie die CSDDD und die CSRD vereinfacht, Bürokratie für Unternehmen reduziert und die Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichte praxisnäher gestaltet werden.
Das deutsche Lieferkettengesetz muss entsprechend der nun geltenden strengen Bestimmungen auf EU-Ebene angepasst werden.
Welche Verpflichtungen gehen nun aus den Beschlüssen im EU-Parlament und der Bundesregierung hervor?
- Die Unternehmensführung muss die Verpflichtungen des nationalen Gesetzes umsetzen
- Das europäische Lieferkettengesetz dient der Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen wie Sklaverei, Kinderarbeit, Ausbeutung oder Umweltverschmutzung
- Bei Missachtung des Gesetzes müssen Unternehmen mit Geldstrafen in Höhe von 5 % des weltweiten Nettoumsatzes rechnen
Für wen gilt das europäische Lieferkettengesetz?
- Unternehmen mit Sitz in Europa, die mehr als 5.000 Beschäftigte und einen weltweiten Nettojahresumsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro haben, müssen die Sorgfaltspflichten ab 2027 umsetzen
- Unternehmen aus der EU sowie in der EU tätige Firmen aus Drittstaaten ab 1.000 Mitarbeitenden und mindestens 450 Millionen Euro Umsatz müssen die Vorgaben nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren erfüllen, also ab 2029
- Kleinere und mittelständische Unternehmen sind zwar nicht direkt betroffen, müssen sich jedoch als Zulieferer größerer Unternehmen ebenfalls an die Bestimmungen des Lieferkettengesetzes halten
Was ist das EU-Lieferkettengesetz?
Die CSDDD verlangt von Unternehmen:
- Risiken in der Lieferkette systematisch zu identifizieren und zu mindern
- menschenrechtliche und ökologische Standards umzusetzen
- Beschwerdeverfahren einzuführen und Tarifverhandlungen zu fördern
- jährlich über Maßnahmen zur Nachhaltigkeit zu berichten
Welche Unternehmen sind von dem EU-Lieferkettengesetz betroffen?
Das EU-Lieferkettengesetz betrifft alle Unternehmen, die in Europa tätig sind, unabhängig von ihrer Branche. Auch in der EU tätige Firmen aus Drittstaaten, die mehr als 1000 Mitarbeitende und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz vorzuweisen haben, sind von dieser Gesetzgebung betroffen.
Juli 2024: |
Die CSDDD tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. |
Juli 2026: |
Die EU-Mitgliedstaaten müssen die CSDDD in nationales Recht umsetzen, in Deutschland durch Änderung des LkSG. |
2027 |
Die CSDDD ist anzuwenden für Unternehmen mit
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2028 |
CSDDD anwendbar für Unternehmen mit
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2029 |
CSDDD anwendbar für Unternehmen mit
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Der erste Vorschlag zum EU-Lieferkettengesetz sah die Definition von Risikosektoren vor, für welche strengere Bestimmungen gelten sollten, da dort das Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt besonders hoch ist. Dazu zählen Unternehmen aus der Textil- oder Lederindustrie und verwandte Produkte, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und die Fertigung von Lebensmitteln sowie Unternehmen, die mineralische Rohstoffe befördern und damit handeln. Diese strengeren Sonderregelungen wurden in der aktuellen Gesetzesfassung allerdings wieder gestrichen.
Was müssen Unternehmen beachten?
Die Unternehmen sind für die Einführung und Umsetzung des europäischen Lieferkettengesetzes (CSDDD) verantwortlich. Europäische Firmen müssen eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, wenn sie sicherstellen wollen, dass sowohl ihre Lieferketten als auch ihre Produktion mit dem EU-Lieferkettengesetz konform sind.
Zunächst müssen die Unternehmen sicherstellen, dass alle Lieferanten die Anforderungen des Gesetzes erfüllen. Dazu gehört, dass sie die Vorgehensweise ihrer Zulieferer mit der gebotenen Sorgfalt prüfen und Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen den Umweltschutz zu verhindern. Außerdem müssen Unternehmen auch über Strategien zur Überwachung ihrer Lieferkette verfügen, sodass die Einhaltung der Vorschriften gewährleistet werden kann. Schließlich müssen die Firmen sicherstellen, dass sie ihre Mitarbeitenden angemessen über die Anforderungen des europäischen Lieferkettengesetzes schulen.
EU-Lieferkettengesetz: Das sind die Pflichten für Unternehmen
- Integration menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten in Unternehmensprozesse
- Ermittlung und Vermeidung negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in der Wertschöpfungskette
- Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens zur Meldung von Verstößen gegen die Richtlinien
- Jährlicher Bericht zur Wahrnehmung und Umsetzung der Sorgfaltspflicht
- Darlegung eines Transformationsplans zur Zielerreichung des Pariser Klimaabkommens (1,5-Grad-Ziel)
Änderungen durch die Omnibus-Verordnung für das europäische Lieferkettengesetz
Mit der „Omnibus-Verordnung“ will die Europäische Union mehrere bestehende Verordnungen oder Richtlinien gleichzeitig ändern oder aktualisieren.
Aktuell plant die Europäische Kommission eine bedeutende Initiative zur Vereinfachung von ESG-Berichtspflichten, insbesondere im Hinblick auf die CSRD und CSDDD.
Kernelemente der Änderungen:
- Beschränkung der Sorgfaltspflichten auf direkte Geschäftspartner
- Verpflichtung zur Analyse von Nachhaltigkeitsrisiken nur noch für direkte Geschäftspartner (Tier-1-Lieferanten)
- Erweiterte Sorgfaltspflichten für indirekte Geschäftspartner nur bei plausiblen Risiken oder negativen Berichten (z. B. durch Medien/NGOs)
- Unternehmen sollen ihren Code of Conduct dennoch in der gesamten Wertschöpfungskette durchsetzen
- Zeitliche Anpassungen
- Überprüfung der Sorgfaltspflichtenmaßnahmen nur noch alle fünf Jahre (statt jährlich)
- Verschiebung der Erstanwendung der CSDDD um ein Jahr auf den 26. Juli 2028
- Haftung
- Unternehmen haften nicht mehr europaweit für Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten
Diese Änderungen sollen die Bürokratie reduzieren und gleichzeitig nachhaltige Unternehmensführung fördern.
Warum braucht es ein europäisches Lieferkettengesetz?
Ziel des europäischen Lieferkettengesetzes ist es, verantwortungsvolle Geschäftspraktiken zu fördern, Menschen und Umwelt zu schützen und sicherzustellen, dass Unternehmen, die sich nicht an ethische Standards halten, zur Verantwortung gezogen werden.
Auch heute noch ist es leider in vielen Ländern keine Selbstverständlichkeit, dass Menschenrechte gewahrt werden und die Umwelt mit Respekt behandelt wird. Kinder- und Zwangsarbeit ist keine Seltenheit, sondern gehört teilweise zum Alltag. Auch die Arbeit unter lebensgefährlichen Umständen mit langfristigen und ernstzunehmenden Folgen der Gesundheit der Menschen sind keine Einzelfälle. Durch Umweltverstöße leiden Natur und Tiere – mit verheerenden Folgen für die Zukunft.
Das europäische Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, Nachhaltigkeitsprinzipien und eine Sorgfaltspflicht gegenüber Menschenrechte in ihre Prozesse einzubinden. Die Unternehmen müssen außerdem sicherstellen, dass ihre Zulieferer die Richtlinien ebenfalls einhalten, um eine Einhaltung des EU-Lieferkettengesetzes gewährleisten zu können. Dieses Gesetz ein wichtiger Schritt nach vorn bei der Schaffung einer nachhaltigeren Lieferkette, die Menschenrechte, Biodiversität und Umweltschutz fördert.
Deshalb ist das europäische Lieferkettengesetz wichtig:
- Schutz der Menschenrechte (Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit, Löhne unter Existenzminimum, Verhinderung von Arbeit unter lebensgefährlichen Bedingungen)
- Schutz der Umwelt (Verhinderung von Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt, Wasser- und Luftverschmutzung)
Was sind Verstöße im EU-Lieferkettengesetz?
Europäische Unternehmen sind in der Verantwortung sicherzustellen, dass sie und ihre Zulieferer Menschenrechte und Prinzipien des Umweltschutzes wahren und fördern. Verstöße gegen das europäische Lieferkettengesetz können darin bestehen, dass Firmen keine ausreichenden Informationen über ihre Vorgehensweise in Bezug auf die Arbeit, Mitarbeiter und Umwelt erfassen, keine Berichte hierüber bereitstellen oder keine Maßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen ergreifen.
Unternehmen können auch gegen das Gesetz verstoßen, wenn sie sich an Aktivitäten beteiligen, die mit Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder der Ausbeutung von Arbeitnehmern verbunden sind. Darüber hinaus müssen die Unternehmen die Anforderungen an eine verantwortungsvolle Beschaffung erfüllen und sicherstellen, dass ihre Zulieferer die geltenden Arbeits-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards einhalten.
Diese Verstöße fallen unter das EU-Lieferkettengesetz:
- Verstoß gegen Menschenrechte (Freiheit und Sicherheit des Menschen, Rechtsfähigkeit)
- Nicht-Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen (Arbeit unter lebensgefährlichen Umständen)
- Verstoß gegen grundsätzliche Arbeitnehmerrechte (Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Erholung & Freizeit)
- Verstoß gegen den Schutz von biologischer Vielfalt und Ökosystemen
- Verschmutzung von Wasser und Luft
- Verstoß gegen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels
Wie werden diese Verstöße bestraft?
Unternehmen können bei Verstößen gegen das europäische Lieferkettengesetz auf verschiedene Weise bestraft werden. Durch das EU-Lieferkettengesetz ist es die Pflicht europäischer Firmen, menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten nachzukommen. Verstöße müssen verhindert und identifiziert werden.
Bei Verstößen und nicht ordnungsgerechter Einhaltung der Richtlinien gehören Bußgelder, der Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren und Sanktionen gegen Lieferanten oder das Unternehmen zu den Folgen. Unternehmen, die sich nicht an das europäische Lieferkettengesetz halten, können auch vor den EU-Gerichten verklagt werden. Darüber hinaus können Firmen zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet werden, die durch ihre Verstöße gegen das Gesetz verursacht wurden.Dazu werden Listen veröffentlicht, in denen Unternehmen genannt werden, die gegen die Vorgaben der CSDDD verstoßen haben.
EU-Lieferkettengesetz und deutsches Lieferkettengesetz: Welche Unterschiede gibt es?
Das europäische Lieferkettengesetz und das deutsche Lieferkettengesetz zielen beide darauf ab, verantwortungsvolle Geschäftspraktiken in Europa zu fördern, indem sie Mindeststandards für Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz und Menschenrechte festlegen.
Das EU-Lieferkettengesetz ist eine Rahmengesetzgebung, die für alle in Europa tätigen Unternehmen gilt, während das zukünftige deutsche Gesetz eine maßgeschneiderte Umsetzung der EU-Standards ist, das nur für Unternehmen mit Sitz in Deutschland gilt. Das aktuelle deutsche Gesetz ist spezifischer, jedoch hat das EU-Gesetz strengere Anforderungen an Unternehmen. Insgesamt zielen beide Gesetze darauf ab, die Einhaltung der geltenden Normen zu gewährleisten und gleiche Bedingungen für verantwortungsvolle Geschäftspraktiken in ganz Europa zu schaffen.
Beide Gesetzgebungen legen fest, dass Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden unter die Regelung fallen. Ein Unterschied liegt in der Reichweite der Pflichten: Das EU-Lieferkettengesetz bezieht sich auf den Vertrieb, den Transport und die Lagerung von Produkten, wenn diese direkt für das verpflichtete Unternehmen erfolgen. Die Entsorgung der Produkte ist ausgenommen. Das deutsche Lieferkettengesetz hingegen beschränkt sich auf direkte Zulieferer und schließt nachgelagerte Prozesse weitgehend aus.
Das europäische Lieferkettengesetz greift also deutlich tiefer als das deutsche Lieferkettengesetz, das seit Januar 2023 in Kraft ist. Europäische Unternehmen sollten sich bei der Ausarbeitung des eigenen Lieferketten-Managements daher direkt auf das EU-Gesetz konzentrieren, so können sie eine spätere Nachbesserung der Maßnahmen vermeiden.
Was ergibt sich aus dem neuen Koalitionsvertrag vom 14.04.2025 für das deutsche Lieferkettengesetz?
Die neue Bundesregierung plant, das bestehende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) abzuschaffen. Es soll ersetzt werden durch ein neues Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, welches die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt. Die Berichtspflicht nach dem LkSG wird unmittelbar abgeschafft und entfällt komplett.
Fazit zum europäischen Lieferkettengesetz
Das EU-Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines nachhaltigeren, verantwortungsvolleren und ethischen Arbeitsumfeldes in Europa sowie bei den Lieferanten weltweit. In der EU tätige Unternehmen müssen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass sie dieses Gesetz einhalten. Dazu gehört, dass sie ihre Lieferanten mit der gebotenen Sorgfalt prüfen, sicherstellen, dass die Vorgehensweisen den geltenden Normen entsprechen und Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Eine der wichtigsten Maßnahmen, die von den Behörden auch immer als erstes kontrolliert wird, ist die Einrichtung eines leicht zugänglichen und rund um die Uhr nutzbaren Meldesystems in möglichst vielen Sprachen. Es müssen anonyme Meldungen ermöglicht werden, die von jeder Person abgegeben werden kann, die Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltgefährdungen hat. Die Unternehmen sollten entsprechende Beschwerdeverfahren so bald wie möglich einrichten und bestehende Verfahren auf deren Konformität mit dem EU-Lieferkettengesetz überprüfen.
Auf diese Weise können die Unternehmen die Einhaltung der Vorschriften sicherstellen und zu einem fairen, sozialen und ökologischen Mindeststandard beitragen.
Das EU-Lieferkettengesetz trägt somit dazu bei, Arbeitnehmer und Umwelt zu schützen und mit seinen Richtlinien eine nachhaltige Wirtschaft zu fördern. Werden Verstöße gegen das Gesetz beobachtet, müssen Mitarbeiter und weitere Stakeholder die Möglichkeit haben, diese Vorfälle zu melden. Besonders digitale Hinweisgebersysteme eignen sich gut für anonymisierte Meldungen und die Implementierung eines standardisierten Beschwerdeverfahrens, das u.a. auch zu den Sorgfaltspflichten des deutschen Lieferkettengesetzes gehört.
(Die verwendete männliche Form bezieht sich auf alle Personen, gleich welchen Geschlechts.)
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