Bearbeitung von Hinweisen und interne Ermittlungen
Die EU-Richtlinie schreibt neben der Einführung eines Whistleblowing-Systems auch die Planung eines geregelten Verfahrens und den korrekten Umgang mit den eingehenden Meldungen durch Whistleblower vor. Zu einem solchen Verfahren gehört zunächst die Festlegung der Zuständigkeiten innerhalb des Unternehmens, die Sicherstellung einer datenschutzkonformen Dokumentation und das Training der zuständigen Personen im Umgang mit dem System und internen Ermittlungen.
Der Bearbeitungsprozess
Bei der Ausgestaltung des Bearbeitungsprozesses gibt die EU-Whistleblowing-Richtlinie Unternehmen einen Gestaltungsspielraum. Ein Unternehmen ist lediglich dazu verpflichtet, einem Hinweis nach seinem Eingang nachzugehen. Um nicht bei jedem Hinweis undifferenziert eine Untersuchung einzuleiten, hat es sich bewährt, den Bearbeitungsprozess mit einer Vorprüfung zu beginnen. Auf Basis dieser Vorprüfung erfolgt die Entscheidung über die Aufnahme und Gestaltung des weiteren Bearbeitungsprozesses. Die Bearbeitung schließt mit der Verfassung eines Berichtes und weiterer Dokumentation ab. Auf diese drei Schritte wollen wir im Folgenden eingehen.
Schritt 1: Vorprüfung
Bei der Vorprüfung wird der Hinweis auf Stichhaltigkeit untersucht. Die wichtigste Frage ist, ob bei dem Hinweis ein Unternehmensbezug besteht. Hierbei geht es nicht um die Herkunft des Hinweises, sondern darum, ob sich der Sachverhalt im Unternehmen ereignet hat oder der Sachverhalt ggf. Konsequenzen für das Unternehmen (z.B. Dritthaftung bei Lieferanten) haben könnte. Besteht kein Unternehmensbezug, kann die Prüfung des Hinweises hier bereits beendet werden. Dann erfolgt direkt die abschließende Dokumentation und Berichterstattung. Auch für den Fall, dass man dem Hinweis nicht weiter nachgeht, ist der Hinweisgeber über diese Entscheidung zu informieren. Lesen Sie mehr zu den Vorgaben der EU-Richtlinie in unserem Blogpost “Die EU-Whistleblowing-Richtlinie: eine kurze Zusammenfassung”.
Besteht ein Unternehmensbezug, sind im nächsten Schritt folgenden Fragen zu beantworten:
- Sind alle Angaben vollständig und vor allem objektivierbar (also logisch)?
- Kann sich der Sachverhalt theoretisch so ereignet haben?
- Handelt es sich bei dem Betroffenen um einen Mitarbeiter des Unternehmens?
- Handelt es sich um ein rechtswidriges Verhalten oder einen Verstoß gegen (interne) Leitlinien oder handelt es sich lediglich um eine Beschwerde oder ein Hinweis auf “schlechte” Unternehmensführung?
Sind zu diesem Sachverhalt bereits Hinweise eingegangen oder ist die betroffene Person schon bekannt, so wird die Vorprüfung deutlich vereinfacht, da dieser Hinweis dann der bereits bestehenden „Akte“ zugeordnet werden kann. Ist der Fall noch nicht bekannt, nimmt man ihn neu auf.
In einem letzten Schritt der Vorprüfung ist dann noch zu klären, welche Art von Verstößen vorliegen. Sofern es sich um ein rechtswidriges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten handelt, ist zu klären, gegen welches Gesetz genau verstoßen wird.
Die Vorprüfung muss sorgfältig und ausführlich begründet und dokumentiert werden.
Schritt 2: Entscheidung über die weitere Bearbeitung
Im nächsten Schritt wird der Schwerpunkt der Prüfung und die Untersuchungsstrategie festgelegt. Bei dieser Entscheidung muss immer die Wahrung der Sicherheit des Hinweisgebers und die Sicherheit der betroffenen Person berücksichtigt werden. Hier gelten wie auch im Strafrecht der Grundsatz der Unschuldsvermutung und das Prinzip des fairen Verfahrens. Während der internen Ermittlung sollte unbedingt das Need-to-know-Prinzip gewahrt werden. Die interne Ermittlung ist durchgehend zu dokumentieren. Schwerwiegende Vergehen, wie Fälle von Korruption, Sicherheitsrisiken oder sonstige Wettbewerbsverletzungen müssen umgehend der Geschäftsleitung gemeldet werden. Ist eine Datensichtung notwendig, muss der oder die Datenschutzbeauftragte hinzugezogen werden. Außerdem ist vor der Sichtung von E-Mails oder Festplatten eine datenschutzrechtliche Prüfung durchzuführen. Bei der Befragung von Mitarbeitenden muss gegebenenfalls der Betriebsrat miteinbezogen werden. Für diese Befragungen sind die bearbeitenden Mitarbeiter besonders zu schulen.
Es ist empfehlenswert, grundsätzliche Leitlinien für die Bearbeitung von Hinweisen zu definieren. Damit ist gewährleistet, dass alle Vorschriften eingehalten werden. Dennoch sollte die weitere Bearbeitung nicht einfach nach Schema F, sondern immer von Fall zu Fall entschieden werden.
Schritt 3: Abschluss der Bearbeitung
Abschließend sind die Ergebnisse der internen Ermittlung, inklusive der Kommunikation mit der Unternehmensleitung, sorgfältig zu dokumentieren. Diese Dokumentation ist als Bericht zu verfassen und der Geschäftsführung vorzulegen. Dieser Bericht ist die Grundlage für die Entscheidung über Folgemaßnahmen, wie beispielsweise arbeitsrechtliche Maßnahmen oder die Erstattung einer Anzeige. Nachdem der Bericht und die Entscheidung über die Folgemaßnahmen erfolgt sind, sind sowohl der Hinweisgeber als auch – wenn notwendig – der betroffene Mitarbeiter zu informieren. Hierbei ist darauf zu achten, dass dem Hinweisgeber nur wirklich notwendige Informationen mitgeteilt werden. Selbstverständlich sind hier die datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten. Da es möglich ist, dass sich der Whistleblower mit anderen Mitarbeitenden austauscht, ist hinsichtlich Inhaltes und Formulierung auch ein potenzieller Einfluss der Rückmeldung auf die Unternehmenskultur zu berücksichtigen. Zuletzt muss noch das datenschutzkonforme Löschen geregelt werden. Denn sobald der Zweck der Datenverarbeitung entfällt und keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten im Unternehmen mehr bestehen, müssen die Daten gelöscht werden.
Do’s und Dont’s bei der Bearbeitung von Hinweisen
„Woran Sie denken sollten“ - die wichtigsten Do´s
- Eine schnelle, unabhängige und vollständige Prüfung des Hinweises
- Alle Hinweise ernst nehmen, solange es keine objektiven Gründe gibt, die dagegensprechen
- Hinweis immer auf Grundlage seines Inhalts bewerten und gegebenenfalls in eine objektive Darstellung umformulieren
- Hinweisgeber in einem angemessenen Umfang über den Stand und das Ergebnis der Ermittlungen informieren.
- Die Unschuldsvermutung von Beginn bis Ende berücksichtigen
- Schutz aller beteiligten Person durch Vertraulichkeit und das Need-to-know-Prinzip
- Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien auch bei Bekanntwerden seiner Identität
- Wertschätzende Kommunikation mit Hinweisgebern unter Wahrung der notwendigen Objektivität
„Vorsicht Falle“ - die wichtigsten Dont’s
- Entscheidungen über den Inhalt des Hinweises nie von der Person abhängig machen
- Wertungen, Motivation oder ähnliches des Hinweisgebers nicht übernehmen
- Hinweisgeber könnten Informationen „leaken“. Daher ist in der Kommunikation mit dem Whistleblower Vorsicht mit der Weitergabe von Informationen geboten
Sollte es sich bei einem Hinweis um eine Falschmeldung handeln, muss dies nicht zwingend mit böser Absicht geschehen sein. Meist handelt es sich einfach um eine falsche Beurteilung einer Situation. Whistleblower sehen immer nur einen konkreten Moment einer größeren Situation aus einem subjektiven Blickwinkel und bewerten dann diesen einen Moment. Wenn nicht der ganze Kontext bekannt ist, ist es leicht möglich, dass es zu einer falschen Bewertung kommen kann.
In solchen Fällen sind die vollständige Dokumentation und detaillierte Begründung der Entscheidungen besonders wichtig. Stellt sich jedoch heraus, dass es sich um eine mutwillige Falschmeldung handelt, ist diese vom Unternehmen zu sanktionieren. Es ist auch ein Ausgleich mit dem Betroffenen der Falschmeldung herbeizuführen. Es ist jedoch nicht zu empfehlen, diesen Sachverhalt zu nutzen, um ein Exempel an der hinweisgebenden Person zu statuieren. Dies könnte dazu führen, das Mitarbeitende das Hinweisgebersystem selbst bei berechtigten Themen nicht mehr nutzen.
Wenn Sie mehr über den Weg eines Hinweises in einem digitalen Whistleblowing-System erfahren möchten, lesen Sie gerne Teil 7 “Prozess eines digitalen Whistleblowing-Systems“ unserer Whistleblowing-Basics Reihe. Haben Sie Fragen zu unserem Whistleblowing-System oder allgemein zum Thema Whistleblowing, kontaktieren Sie gerne einen unserer Experten.
Mehr Informationen rund um das Thema Whistleblowing finden Sie auf unserer Know-How Seite oder in unserem Leitfaden „Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes in Ihrem Unternehmen”.
(Die verwendete männliche Form bezieht sich auf alle Personen, gleich welchen Geschlechts.)