Wie etabliert man eine ethische Unternehmenskultur?
Dr. Thomas Altenbach, was versteht man unter einem „ethical business“?
Ein ethical business ist nach meinem Dafürhalten das geschäftliche Handeln auf der Basis von ethischen Grundsätzen, die wiederum verbindliche Prinzipien für das Unternehmen darstellen.
In welchem Verhältnis stehen Compliance und Ethik?
Compliance ist geschäftliches Handeln, das sich an gesetzlichen Rahmenbedingungen ausrichtet, während sich ethical business an moralischen Werten orientiert. Das spiegelt sich in dem Satz wider: Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Während Compliance extrinsisch durch Gesetze vorgegeben ist, ist ethisches Handeln intrinsisch motiviert: es geht darum, das Richtige zu tun, unabhängig davon, was erlaubt ist. Dennoch sind Ethik und Compliance miteinander verbunden: viele Compliance-Vorschriften haben einen ethischen Hintergrund. Beides sollte unbedingt Beachtung in Unternehmensstrategien und Leitlinien finden.
Was hat Ethik mit Unternehmenserfolg zu tun?
Es gibt eine Vielzahl von Studien, die belegen, dass nachhaltige und ethische Unternehmensführung mittel- und langfristig den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen. Ein Grund dafür ist zum Beispiel eine starke Mitarbeiterbindung: Mitarbeitende haben eine klare Vorstellung von den Werten und Zielen des Unternehmens – und sind, sofern diese gelebt werden, motiviert, lange im Unternehmen zu bleiben. Meine Erfahrung ist außerdem, dass gerade die jüngeren Generationen genau hinschauen, ob sich Unternehmen ethisch verhalten. Um diese für mein Unternehmen zu begeistern, muss ich also Antworten auf Fragen wie: “Für welche Werte steht das Unternehmen?” bieten.
Wie etabliert man Ethik in der Unternehmenskultur? Gibt es Prozesse und/oder Personalstrukturen, die dabei helfen können?
Ich bin der festen Überzeugung, dass in der Geschäftsleitung jemand für das Thema Ethik eindeutig verantwortlich sein sollte. Darüber hinaus ist es wichtig, mit Mitarbeitenden aus den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen und Hierarchiestufen einen gemeinsamen Konsens über die Ziele und Werte des Unternehmens zu erzielen. Das kann z.B. in Workshops passieren. Idealerweise kann das Ergebnis solcher Workshops von allen Mitarbeitern wie in einer Charta gemeinsam unterzeichnet werden, um die Verbindlichkeit noch stärker zu dokumentieren und versinnbildlichen. Damit die Wirkung nachhaltig ist, sollte ethisches Verhalten einen festen Platz auf der Agenda bekommen. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, regelmäßig ethische Dilemma-Situationen zu besprechen.
Welche Fähigkeiten sollten Führungskräfte haben, um Ethik zum festen Bestandteil der Geschäftspraxis zu machen?
Kommunikation steht an erster Stelle. Führungskräfte sollten in der Lage sein, regelmäßig und offen zum Austausch über die Unternehmenskultur, Ziele und Werte einzuladen. Konstruktives Feedback muss ein Teil der täglichen Arbeit sein! Ich halte auch Authentizität für eine wichtige Fähigkeit: Nur wenn Unternehmenswerte aktiv, konsequent und überzeugend vorgelebt werden, erhöht dies die Chance, dass sich Mitarbeitende daran orientieren. In diesem Sinn ist “Tone from the Top” außerordentlich wichtig.
Wie kann ein Hinweisgebersystem dabei helfen?
Ein Hinweisgebersystem gibt Unternehmen die Möglichkeit, individuell zu wählen, welche Art von Verstößen gemeldet werden sollen. Neben gesetzlichen Normen kann das zum Beispiel auch ein unternehmensinterner Verhaltenskodex sein – oder die oben erwähnte Charta. Das Hinweisgebersystem ist eine sehr gute Möglichkeit, ethische Prinzipien nicht nur festzuschreiben und ihre Bedeutung zu unterstreichen, sondern auch dazu beizutragen, dass sie jeden Tag gelebt werden. Zweifelhaftes Verhalten kann durch ein Hinweisgebersystem auch anonym gemeldet werden, sodass sich Mitarbeitende nicht unbedingt positionieren müssen. Oft ist die Hemmschwelle größer, wenn es um die offene Ansprache von möglichen Missständen geht – und seien wir ehrlich: ein vertrauensvolles Klima ist nicht in jedem Unternehmen gegeben. Das Hinweisgebersystem bietet hier einen sicheren Kanal.